Ausländische Fachkräfte können in Zeiten des Fachkräftemangels eine Chance für mittelständische Unternehmen sein. Personalberater Hans Ulrich Gruber und Professor Frank Schäfer geben Expertentipps.
Der Fachkräftemangel ist groß und wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken. Schon heute ist er das Wachstumshemmnis Nummer eins für viele deutsche mittelständische Unternehmen. Eine attraktive Möglichkeit ist es, gute Fachkräfte aus anderen Ländern zu integrieren. Wie die Situation in den Unternehmen vor Ort tatsächlich aktuell aussieht und wie die Integration ausländischer Fachkräfte erfolgreich gelingt: Darüber sprechen Personalberater Hans Ulrich Gruber und der Leiter des Studiengangs interkulturelles Management an der OTH Weiden Professor Frank Schäfer im Podcast.
Die Experten: Personalberater Hans Ulrich Gruber und Professor Frank Schäfer
Personalberater Hans Ulrich Gruber pflegt seit vielen Jahren gute Kontakte zu internationalen Unternehmen sowie zu Fachkräften aus dem Ausland. Sein Motto: „Wenn das Onboarding gelingt, ist die Zusammenarbeit ein Gewinn für beide Seiten.“ Auf diese Weise konnte er schon zahlreiche Stellen für mittelständische Unternehmen erfolgreich besetzen. Sowohl im Inland als auch an den Standorten der Mittelständler im Ausland.
Professor Frank Schäfer ist Leiter des Studiengangs interkulturelles Management an der OTH Weiden. Er beschäftigt sich seit seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und der State University of New York, das er mit Prädikatsexamen abschloss, mit den Themen Betriebswirtschaftliche Strukturen für den Mittelstand sowie Markt- und Unternehmensstrategie national und international.
Das Interview in Auszügen: Hören Sie das gesamte Expertengespräch im Podcast
Wie wirkt sich der demographische Wandel auf den Fachkräftemangel aus?
Hans Ulrich Gruber: Wir haben laut Arbeitsagentur einen Mangel von rund einer Million Fachkräften. In der Praxis zieht sich das quer durch alle Branchen, Fachbereiche und Hierarchieebenen. Von der IT über Ingenieurwesen bis zum Gesundheitswesen. In den nächsten neun Jahren werden wir noch einmal einen Rückgang von an die 4 Mio. Fachkräften erleben. Es ist also Kreativität gefragt, wie man gegensteuern kann. Das Wachstumshemmnis Nummer eins ist aktuell die Verfügbarkeit von Mitarbeitenden.
Professor Frank Schäfer: Ich erlebe auch in der Praxis, dass es einen eklatanten Fachkräftemangel gibt. Die Unternehmen sind teilweise sehr wachstumsstark. Sie erfahren eine Limitierung durch Fachkräfteknappheit. Infolgedessen beobachte ich eine Veränderung: Die Unternehmen öffnen sich sehr stark ausländischen Fachkräften.
Nutzen mittelständische Unternehmen das Potenzial ausländischer Fachkräfte, um gegenzusteuern? Und wie wirkt sich das auf die Unternehmenssprache aus?
Hans Ulrich Gruber: Es ist sehr unterschiedlich. Hier in Bayern ist in vielen Unternehmen die Unternehmenssprache Deutsch. Es gibt jedoch zahlreiche Best Practice Beispiele. Unternehmen, die sehr international aufgestellt sind. Sie haben Mitarbeitende aus verschiedenen Nationen und die Unternehmenssprache ist meist Englisch.
Ich denke da an ein größeres Projekt aus der Praxis von einem deutschen Unternehmen in Österreich. Da gab es die Sprachkompetenz und sie konnten einen Rohrleitungsbauer aus Indien erfolgreich integrieren. Dabei merkt man: Es ist ein großer Vorteil, wenn der indische Kollege auch ins Englische switchen kann. Das hat sehr gut funktioniert. Wir haben in vielen Ländern Ingenieure, die gerne nach Deutschland kommen möchten. Zum Beispiel aus der Türkei, Lateinamerika oder dem Iran. Es ist immer die gleiche Thematik. Wie hoch ist das deutsche Sprachniveau? Und ist es nicht leichter den Kollegen auf Englisch zu integrieren?
Professor Frank Schäfer: Unsere inhabergeführten Unternehmen sind aufgeschlossen und beginnen ausländische Mitarbeitende zu integrieren. Sie sind also in der Lage sich zu wandeln. Hier in der Oberpfalz durch die Nähe zu Osteuropa werden osteuropäische Fachkräfte bereits seit vielen Jahren ganz selbstverständlich ins Team integriert.
Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, ein Unternehmen muss sich entscheiden, ob es Englisch oder Deutsch als Geschäftssprache hat. Viele Unternehmen betreiben signifikante Auslandsgeschäfte mit einem hohen Umsatzanteil im Ausland. Sie kommunizieren ohnehin in Englisch. Jetzt mit dem einen oder anderen Mitarbeiter auch in Englisch zu kommunizieren, wird eher pragmatisch gelöst. Da kommuniziert man in der Besprechung mit dem einen Mitarbeiter auf Deutsch und dem anderen in Englisch.
Gibt es weitere Punkte, die Unternehmen angehen müssen, um sich besser auf internationale Fachkräfte vorzubereiten?
Professor Frank Schäfer: Die Sprachkompetenz ist nur die halbe Miete. Die andere Hälfte ist die Unternehmenskultur einer interkulturellen Organisation. Das ist etwas anderes als die einer rein national strukturierten Organisation. Diesen Wandlungs- und Integrationsprozess hinzubekommen, ist eine Aufgabenstellung. Ich muss mir bewusst sein: Diese Mitarbeitenden haben andere Erfahrungen mit Hierarchie, Management, Führung und eigenverantwortlicher Aufgabenübernahme. Es ist wichtig zu verstehen, wie die Mitarbeitenden geprägt sind. Dafür muss ich auch das jeweilige Herkunftsland kennen. Am Ende geht es darum ein schlagkräftiges Team aus verschiedenen Nationalitäten zu formen.
Hans Ulrich Gruber: Für die Erfolgsfaktoren spielt es eine große Rolle, ob ich mir bewusst bin, dass jeder Mensch eine Grundprägung hat. Mir muss als Deutscher klar sein, wenn ich mit chinesischen oder indischen Fachkräften arbeite, ist das etwas anderes. Hier ist es wichtig im Team zu vermitteln, dass Menschen aus anderen Ländern andere Werte mitbekommen haben und nach diesen leben. Auf der anderen Seite liegt darin eine große Chance. Es ist die Führungsaufgabe, die Mitarbeitenden zu begleiten und ins Team zu integrieren.